Der Club Hippique de Diesse organisierte dieses Jahr wieder einen Distanzritt am Chasseral. Ausgeschrieben
waren diesmal ein Trainingsritt über 20 km, ein EVG 1 (31 km), ein EVG 2 (51 km), ein CEN* (71 km) und ein CEN** (82 km);
alles am Samstag, den 5. Mai.
Nach der Extrem-Wetter Tour letztes Jahr und wohl auch aufgrund der topographischen Anforderungen gab es dieses Jahr leider weniger Anmeldungen. Das wusste ich allerdings erst, als ich in Diesse ankam, da jeder Konkurrent mit der Karte nur eine Starter-Liste seiner eigenen Prüfung erhielt. Die Karte war diesmal extrem viel deutlicher. Die Strecke sollte diesmal umgekehrt, also im Gegenuhrzeigersinn, geritten werden. Zudem hatten die Organisatoren eine „Schlechtwetter-Variante“ eingeplant, die sich im Wesentlichen darin von der Originalroute unterschied, dass es nicht über die offenen Hochweiden des Mont Sujet gehen würde, sondern über befestigte Wege – meistens. Das mitgelieferte Profil der drei Strecken zeigte wilde Zacken, so wie kleine Kinder Berge zeichnen. Das Mindesttempo in den beiden CENs war deshalb auch auf 10 km/h herabgesetzt worden.
Etwas für die, welche Statistik lieben: auf dem CEN** über 82 km würde das über die drei Runden immerhin einen Gesamtaufstieg von 1985 Metern ausmachen, und einen Gesamtabstieg von 2076 Metern (wer sich hier jetzt wundert: das Ziel lag tiefer als der Start!). Zum Vergleich: im Tevis Cup gehts etwa 5000 Meter hoch, und 6700 Meter runter, über 100 Meilen.
Leider scheint der Wettergott dem Chasseral-Ritt nicht wohlgesonnen zu sein: nach etwa fünf Wochen fast hochsommerlichen Arizona-Wetters kippte es just auf Freitag Abend auf Modell Monsoon. Ich war diesmal bereits am Freitag Nachmittag vor Ort, da ich letztes Jahr einen Gutschein für zwei Nächte im Cheval Blanc im Nachbardorf Nods gewonnen hatte, und den so grad nützlich einlösen konnte. Anhand der Wettervorhersage (düster!) hatte die Organisation bereits beschlossen, tatsächlich die Schlechtwetter–Variante zu verwenden. Na ja; ich hatte alle wasserdichten Jacken mitgebracht, die ich finden konnte. In der Nacht begann es denn auch tatsächlich zu giessen.
Samstagmorgen zeigte sich dann in dichtestem Wolkenkleid und heftigen Regenschauern. Zum Glück war die Vet-Eingangsvisite wieder in der Halle! Die beiden CENs würden um 7 Uhr 30 starten, zusammen, da Johnny und ich das einzige Paar im CEN** waren. Gewogen war ich bereits; diesmal ohne Probleme 73 kg (Andrea Amacher: „Du hast zugenommen!“ Danke, Andrea! Ich glaube lieber, dass es die schwerere Wachsjacke und die Wachschaps und die vermehrten Ausrüstungsgegenstände waren).
Die Orientierung der Route hiess, dass es diesmal gleich nach dem Start das steilste Aufwärts-Stücke der Strecke über Stock und Stein wie in einem Bachbett bergan ging. Obwohl ich hier so ruhig wie möglich trabte, schoss Johnny’s Puls in Kürze auf 170! Zum Glück wurde der Anstieg bald flacher, aber für die nächsten Kilometer ging es auf einem Waldweg stetig bergan, nicht steil, aber ständig an Höhe gewinnend. Schliesslich unter einem Skilift durch, ein Paar Meter auf die Strasse, dann den nächsten Hang hinauf bis zum höchsten Punkt der Route. Nun ritten wir den Hang entlang zur Bison-Ranch, der Hälfte der Strecke mit 15 km.
Nun ging es auf glitschig-pflotschigen Pfaden über die Hochwiesen, dann kam wieder der unsägliche Steilhang vom Vorjahr: etwa 400 Meter wie eine Schlamm-Rutsche, diesmal runter statt rauf. Da ich nicht Der Mann vom Snowy River bin, ritt ich im Schritt runter – na ja, es war mehr ein Rutschen und Schlittern. Dann zum Glück wieder fester Weg. Kurz vor dem dritten Groompoint beim Brunnen eingangs Nods kam wieder ein Stück Wanderweg mit nassen Natursteinplatten, Felsbrocken, Sumpf und Wurzeln – wehe dem, dessen Pferd nicht wirklich trittsicher ist und auch schaut, wo es hintritt! Nun noch die letzten paar flachen Kilometer bis ins Ziel, und die erste Schlaufe à 31 km war geschafft.
Die zweite Runde führte uns noch einmal über dieselbe Schlaufe, und die EVG Pferde, welche in der Zwischenzeit hier durchgekommen waren, hatten die Schlammrutsche auch nicht besser gemacht. Sie war jetzt vor allem noch rutschiger und einiges tiefer. Es hatte in der Zwischenzeit zu regnen aufgehört, dafür ritt man nun von halber Höhe an im Nebel; ich war froh, dass ich hier heute schon mal durchgekommen war, die Sicht war wirklich echt beschränkt, vor allem an der Flanke des Chasseral drüben, wo sämtliche Formen in der Landschaft nur noch schemenhaft zu erkennen waren.
Kurz vor Nods auf dem Abenteuerpfad geschah es dann. Johnny trabte flotter als ich es eigentlich wollte, gekonnt seinen Weg suchend, bis er auf einer der abfallenden, rutschigen Steinplatten den Halt verlor. Seine Hinterbeine rutschten weg, er setzte sich, und strampelte mit den Vorderbeinen, um aufrecht zu bleiben, was fast gelang, aber er rutschte trotzdem auf die Schulter, und ich landete mit dem Hintern zuerst seitwärts auf besagtem Stein (auf dem Knochen, nota bene; ja: autsch!). Zum Glück war Johnny völlig unverletzt und wir waren eine halbe Minute später wieder unterwegs – im Schritt, bis wir den festen Weg erreichten.
Auf der dritten Runde waren Johnny und ich dann auf der 20-km Schlaufe unterwegs. Das hiess vor allem, dass es nicht mehr auf die Chasseral Seite ging, und wir somit nicht mehr diesen Schlamm runter mussten. Ein Teil war hier Wiesenweg, was absolut wunderbar gewesen wäre, wenn der Boden trocken und damit nicht glitschig gewesen wäre. So machten wir halt eben sehr langsam.
Auf den letzten paar Kilometern konnten wir dann noch einmal ein wenig flotter vorwärtsreiten, und nach dem letzten halben Kilometer Schritt waren wir dann im Ziel, wo sie nur noch auf uns gewartet hatten; alle anderen mit ihren kürzeren Strecken waren bereits fertig.
Nun noch Schlusskontrolle: Puls 49 nach 12 Minuten, alles andere bestens – geschafft!
Man muss den Angemeldeten zu Gute halten, dass so gut wie alle trotz des scheusslichen Wetters gekommen und geritten waren, und es gab nur gerade zwei Eliminationen (1x Puls, 1x Lahmheit); eine Reiterin zog zurück.
Bericht: Esty H. Saenger