Die Schweizermeisterschaft der Endurance Reiter fand dieses Jahr am 28. bis 30. September in Hüntwangen ZH statt. Sie wurde anlässlich eines internationalen CEI*** Rennens (nach FEI Reglement) über 138 km ausgetragen. Neben den in der Schweiz wohnhaften Reitern waren auch Paare aus Deutschland, den Niederlanden und Frankreich am Start. Auch Grossbritannien, Japan und die USA waren vertreten.
Neben dem CEI*** 138 km wurden an diesem Grossanlass auch die folgenden Prüfungen angeboten: CEIJY*** 120 km (als Juniorenschweizermeisterschaft), CEI*** 120 km, CEN** 90 km, CEN* 63 km, EVG2 53 km und EVG1 28 km. Am Freitag Nachmittag wurde zudem ein DRF ausgetragen.
Ich habe Johnny für die Schweizermeisterschaft angemeldet. Diese Prüfung ist der Höhepunkt seiner bisherigen Karriere, sowie ein ungemeiner Prüfstein: Er ist mit sieben das jüngste der in diesem Rennen gemeldeten Pferde; er ist noch nie mehr als 96 km an einem Tag gelaufen. Unser Sieg im zweitägigen 168-km Rennen am Limmattaler macht mich allerdings zuversichtlich, dass er auch dies schaffen kann – wenn ich ihn nach bewährter Strategie für dieses Jahr weiterreite: nämlich langsam, einfach grad ein wenig über der geforderten Minimalzeit – to be on the safe side. Durchkommen ist das einzige Ziel, durckommen mit einem Pferd, dass in der Schlusskontrolle „fit to continue“ gewertet wird, und dass sich auch am Sonntag noch gut fühlt und sich gut bewegt … Schliesslich: „to finish is to win“ …
Gegen Mittag kommen wir am Freitag auf der Reitanlage Gentner des Reitvereins Rafzerfeld an. Wir parkieren auf dem grosszügigen Stoppelacker, der trotz des vorangegangenen Regens nicht wirklich tief ist. Johnny bezieht eine Boxe im Stallzelt, und schon bald beginnt die Eingangskontrolle. Metabolische Werte und Puls werden in der Boxe genommen, dann wird auf dem sehr grossen Reitplatz mit der super Unterlage vorgetrabt – alles sehr gute Werte.
Am Samstagmorgen um 7 Uhr geht es dann los. Man lernt aus Erfahrung: nach Johnny’s Gepulle am letzten Rennen reiten wir heute mal nicht gebisslos, sondern mit dem Snaffle Bit. Es geht erst mal auf die blaue Route. Sie führt über 29 km zum Schlossgut Berg am Irchel, wo wir zwei Vet Gates haben werden. Diese Strecke ist wirklich wunderbar. Auch die Feldwege haben einen angenehmen Grasstreifen, und bald schon sind wir auf einem breiten Grasbord entlang des Rheins, dann der Thur, Natur pur, einfach wunderschön! Wir kommen sehr gut voran, und nach gut zwei Stunden kommen wir auf den ausgedehnten Weiden des Gestüts an. Auf dem Groomplatz, eine Anlage mit festen Cross-Hindernissen neben der Privathalle, herrscht emsiges Treiben. Wir sattlen ab und zeigen – alles gut. Nun die 40 Minuten Pause, und weiter geht es auf die grüne Strcke. Sie ist „nur“ 18 km lang, aber sie geht auf und ab, sehr technisch – aber wer Diesse und den Limmattaler (oder den Tevis) geritten hat, empfindet dies hier nicht als grössere Unebenheiten. Johnny ist noch immer völlig frisch und will schneller gehen, als ich es ihm hier erlaube. Wir reiten diese Schlaufe ganz allein, überholen mal ein anderes Pferd. Bald schon sind wir wieder im Vet Gate und haben unsere zweite Pause.
Nach dem Regen und starken Wind der vergangenen Nacht wird es nun ein sehr schöner Tag. Die Wolken verziehen sich mehr und mehr, und es wird recht warm. Zum Glück für die Pferde weht immer noch ein erfrischender und kühlender Wind.
Bald schon sind wir wieder unterwegs, diesmal auf dem längsten Abschnitt über 35 km. Johnny beginnt nun an einigen der zahlreichen Brunnen unterwegs ausgiebig zu trinken. Zudem ist er nicht zu bremsen, er will einfach laufen, schnell, aber lässt sich mit dem Bit leicht regulieren. Wir reiten einen guten Teil deses Strecke mit zwei Kolleginnen. Und dann, nach drei der fünf Loops, sind wir zurück in Hüntwangen. Johnny denkt jetzt wohl, er sei fertig, zumal er auch gewohnt ist, dass seine Rennen aus drei Loops bestehen. Seine Werte sind immer noch alle gut, sein Gang ist A, und wir haben wieder 40 Minuten Pause.
Wie in den ersten beiden Pausen frisst sich Johnny auch hier durch. Langsam gehen uns die Bananen aus, aber er ist auch mit Heu und Gras zufrieden, und den Pferdewürfeli, und ein paar Maulvoll Kraftfutter mit Beet Pulp.
Dann geht es zum ersten Mal auf die gelbe Strecke, die 28 km lang ist. Johnny gibt keinerlei Anzeichen, dass er eventuell nicht mehr wolle, er ist immer noch flott unterwegs, aber er beschleunigt endlich nicht mehr wie wild. Diese Strecke führt uns durch viel Wald, dann geht es nach der unsäglichen Lehmpassage durch die Weinberge, dann ins Flache hinunter, und wir sind fast schon wieder zurück. Nur noch um die letzte Waldecke, und wir können den Zielbogen bereits sehen – 110 km geschafft.
Dann wieder Vet Check, Pause, Recheck, und wir gehen auf die letzte Runde. Es ist in der Zwischenzeit nach 6 Uhr abends, und ich hoffe, ich komme noch vor der totalen Dunkelheit durch die Lehmgrube. Jetzt kann ich Johnny am durchhängenden Zügel reiten – er ist nicht mehr so frisch wie auch schon! Ich auch nicht. Er trinkt zum Glück immer wieder ausgiebig, und wir kommen sehr gut voran, wenn auch bewusst etwas langsamer. In den Weinbhergen holt uns dann die Dunkelheit ein, aber das macht nichts, es herrscht genug Restlicht, sodass man die kleinen Richtungspfeile und die Sägemehllinien am Boden sehr gut sehen kann, sobald man nahe genug ist. Zudem habe ich ja meine Sitrnlampe.
Am letzten Groompoint vor dem absoluten Finish trefe ich auf die Grooms meiner Kolleginnen, die irgendwo hinter mir sind, und sie tun alles, um Johnny und mir zu helfen. Ich lasse Johnny ein paar Minuten fressen, dann nehmen wir die letzten paar Meilen unter die Hufe, jetzt in doch ziemlich tiefer Dunkelheit; vor allem, als wir für das allerletzte Stück in die Bäume kommen, kann man nichts mehr sehen, und wir traben sehr langsam, damit nicht noch was passiert. Die letzten paar hundert Meter gehen wir dann im Schritt, es ist niemand direkt hinter uns.
Dann sind wir im Ziel – geschafft! Johnny passiert auch ein paar Minuten später den Vetcheck mit fliegenden Fahnen, wenn auch in relativ gemächlichem Trot und ohne mich enthusiastisch mitzuziehen. Alle Werte normal! Johnny hat
es tatsächlich geschafft!!! Mit Erstaunen höre ich von Sue, dass wir Fünfte sind – es hat vor uns ein paar Disqualifikationen gegeben und wir sind nachgerückt. Aber das dicke Ende kommt noch nach: Roger teilt mir mit, dass wir das dritte Schweizerpaar über die Ziellinie sind, da der Gewinner, Raphael Muller, aus Frankreich kommt, und eine deutsche Reiterin, Astrid Götz, Platz Drei belegt. Ja, richtig, das heisst, dass Johnny und ich die Bronzemedaille gewonnen haben …
Für den Rest des Abends hole ich Johnny ein paar Mal aus der Boxe und führe ihn ein wenig. Sein Abendessen hat er bis aufs letzte Körnchen aufgefressen, und er scheint völlig in Ordnung, wenn auch müde, aber das darf er ja auch sein nach dieser grandiosen Leistung.
Am nächsten Morgen kann ich es kaum erwarten, ihn zu sehen: ja, er ist okay, völlig in Odnung, und so passiert er auch den abschliessenden Vetcheck zur Transportfreigabe locker. Am Mittag sind wir bereits zu Hause, und Johnny geht auf seine grosse Weide zu seinen beiden Freunden.
Bericht: Esty H. Saenger